Vier Pfoten, große Klasse
Wirtschaftsfaktor Hund
Hunde sind überall: auf Straßen, in Parks und Geschäften – sogar im Büro. Für viele ind sie längst feste Familienmitglieder. Mit ihrem wachsenden Status steigt auch ihre wirtschaftliche Bedeutung: Die Heimtierbranche erzielt mittlerweile Milliardenumsätze, vom Futter bis zu Leinen, Outfits, Spielzeug & Co.
Allein in Kiel hat sich ihre Zahl in den vergangenen Jahren deutlich erhöht: Waren 2015 noch 7.570 registrierte Tiere gemeldet, sind es heute 8.850. Für viele ist der Hund längst ein festes Familienmitglied geworden – mit all den Folgen, die das für das Zusammenleben, aber auch für die Wirtschaft hat. Der Markt für Heimtierhaltung ist entsprechend groß: 2024 setzte die Branche laut des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe deutschlandweit sieben Milliarden Euro um. Allein der stationäre Handel mit Hundefutter machte dabei rund 1,8 Milliarden Euro aus. Hinzu kamen Spielzeug, Accesoires und weitere Premiumprodukte im Wert von mehreren hundert Millionen Euro. Der Hund ist damit nicht nur bester Freund, sondern auch ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor.
Dabei geht der Markt weit über Futter und Leine hinaus. Von Hundepensionen über mobile Hundebetreuung und Tierfotografie bis hin zu Physiotherapie und Versicherungen. Doch wo verläuft die Grenze zwischen notwendigem Angebot und Vermenschlichung? Während manche Innovationen die Beziehung von Mensch und Hund erleichtern, sorgen andere für Stirnrunzeln. Hunde-Spa oder Yoga mit Welpen sind Beispiele für Konzepte, die auftauchen und wieder verschwinden. Andere Modelle hingegen wie Hundeschule, Hundehort oder Hundehotels haben sich längst etabliert. Drei Beispiele aus dem Norden zeigen, wie unterschiedlich die Unternehmensstrategien sein können – vom inhabergeführten Fachgeschäft über individuelles Hundecoaching bis hin zur Geburtstagsparty auf vier Pfoten.

Individualität im Trend: Alina Seyfert weiß, dass Tieraccessoires nicht von der Stange kommen müssen.
Individuell statt von der Stange
Wer den Laden „Hafenschnauze“ in der Eckernförder Fußgängerzone betritt, merkt schnell: Hier gibt es mehr als Leinen und Näpfe von der Stange. Inhaberin Alina Seyfert hat sich vor sieben Jahren den Traum vom eigenen Geschäft erfüllt. Heute kombiniert sie individuelles Zubehör mit hochwertigem Futter – und setzt damit auf ein Konzept, das sich klar vom Onlinehandel unterscheidet. „Ein Hund ist ein festes Familienmitglied. Da reicht es nicht mehr, wenn das Halsband einmal gekauft wird und ein Leben lang hält“, sagt sie.
Gerade weil viele Kunden im Netz Preise verglichen oder Produkte im Laden abfotografierten, ist Alina Seyfert überzeugt: Nur durch Qualität, Individualität und Beratung lasse sich ein stationäres Geschäft führen. Mit dem Erfolg wuchs auch die Fläche, insbesondere die der Futterproduktion im hinteren Teil des Ladens. Von anfangs 75 ging es hoch auf mittlerweile 175 Quadratmeter. Hier finden sich handgemachte Halsbänder, Jacken kleiner Labels oder Accessoires aus ungewöhnlichen Materialien – etwa Leinen aus alten Schiffstauen oder Taschen aus Segeltuch. Viele dieser Manufakturen könnten sich keinen eigenen Laden leisten und haben auch keinen Onlineshop.
„So entsteht eine Win-win-Situation: Die kleinen Labels bekommen eine Bühne, und die Kunden finden bei mir etwas, das sie sonst nirgendwo bekommen.“ Ein weiterer Vorteil: Hunde dürfen in den Laden mitgebracht werden und können Regenmantel, Halsband oder Geschirr direkt anprobieren. So sehen die Besitzer sofort, ob es passt und wie ihr Tier sich darin bewegt. Ein Service, den der Onlinehandel nicht bieten kann.
Neben dem Zubehör spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Alina Seyfert bietet tiefgekühlte Fleischpakete nach dem BARF-Prinzip (Biologisch Artgerechtes Rohes Futter) im Abo sowie gesunde Snacks an, passend zum maritimen Standort unter anderem auch getrocknete Eckernförder Sprotten. Hinzu kommen Produkte mit sozialem Mehrwert, wie Hundekekse aus einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung. „Das ist für mich die perfekte Verbindung: gesunde Snacks für die Tiere und gleichzeitig Unterstützung für ein wichtiges Projekt in der Region.“ Gerade diese Mischung aus Regionalität, Nachhaltigkeit, persönlicher Beratung und direktem Erleben ist es, die den Unterschied zum reinen Onlinekauf macht. „Am Ende zählt: Der Hund ist zufrieden, und die Menschen fühlen sich gut beraten.“
Coaching statt Kommandos
Individualität ist auch das Credo von Hundecoach Anna Christina Frahm. Ihre Ausbildung zur Hundeverhaltensexpertin absolvierte die Kielerin in den Niederlanden. Mit ihrem 2023 gegründeten Unternehmen verfolgt sie einen Ansatz, der sich bewusst vom klassischen Hundetraining unterscheidet: Kein starres Sitz-und-Platz-Training auf großen Rasenflächen, sondern ein maßgeschneidertes Coaching im Alltag, meist im häuslichen Umfeld. Ziel ist nicht die perfekte Dressur, sondern ein entspannter Alltag zwischen Hund und Halter. „Ich übersetze tierpsychologische Signale in eine Sprache, die Menschen verstehen, und befähige sie, klarer zu kommunizieren“, erklärt Anna Christina Frahm.
Viele Schwierigkeiten entstehen ihrer Erfahrung nach durch unsere menschliche Interpretation von Hundeverhalten.
„Wenn ein Hund aufgeregt wirkt, sehen Menschen das oft als Freude. Dabei steckt häufig Unsicherheit dahinter.“ Hunde bräuchten vor allem klare Führung, mehr Ruhe und eine feste Rolle in der Familie. Das Training sei deshalb immer auch Arbeit am Menschen, nicht nur am Tier.
Häufig zögerten viele bei der Investition in ein Coaching. Während für Hundebetten oder Accessoires schnell mehrere Hundert Euro ausgegeben würden, überlegten manche zweimal, ob sie für Verhaltenstraining bezahlen. Frahm sieht das kritisch: „Ein entspannter Hund und das Zusammenleben mit ihm sollte uns doch wichtiger sein.“ Sie beobachte aber eine gesellschaftliche Tendenz hin zu mehr Wertschätzung für Coaching. Oft griffen Halter allerdings erst dann auf professionelle Hilfe zurück, wenn der Leidensdruck hoch sei.
Doch Frahm ist überzeugt, dass ihr Ansatz Zukunft hat. Früher „liefen Hunde einfach mit“, heute sind sie fester Teil der Familie. Oft schwingen dabei hohe und manchmal sogar überhöhte Erwartungen an ihr Verhalten mit. Dazu kommt eine Flut an Informationen, die viele überfordert: Ratgeber im Netz, Tipps aus sozialen Medien oder TV-Formate wie bei Martin Rütter „Das sorgt eher für Verunsicherung. Viele wünschen sich deshalb klare, individuelle Begleitung – genau das biete ich an.“ Um ihr Angebot künftig breiter zugänglich zu machen arbeitet Frahm an Videoformaten und digitalen Coaching-Angeboten. Auch ein Buchprojekt ist bereits in Planung.
Auf den Hund gekommen?
Wer Hundetrainer werden möchte, kann in Deutschland das IHK-Zertifikat „Hundeerzieher:in und Verhaltensberater:in“ erwerben. Das Programm wird von der IHK Potsdam in Kooperation mit dem Berufsverband BHV angeboten und ist die einzige Weiterbildung dieser Art.
(Hunde-)Geburtstag mal anders: Mit "Doggy Birthday" haben Pamela Tinnemeyer und Nadine Peters eine ganz neue Nische besetzt.
Wenn Hunde Geburtstag feiern
Während beim Coaching das harmonische Zusammenleben im Vordergrund steht, zeigt ein anderes Geschäftsmodell, dass auch Spaß und Inszenierung rund um den Hund zunehmend Teil des Marktes werden. Einen Hundegeburtstag feiern? Mit Kuchen, Konfetti und einem Gläschen Hundebrause? Was in Deutschland noch ungewöhnlich klingt, hat in den USA und Australien längst Tradition. Dort sind Hundepartys ein großes Geschäft, und genau von dort kam die Idee zu Pamela Tinnemeyer und Nadine Peters. Die zwei Gründerinnen haben 2023 neben ihrer Arbeit im Marketing den Onlineshop „Doggy Birthday“ gestartet und damit eine Nische besetzt, die in Deutschland bislang kaum jemand wahrgenommen hatte.
Das Herzstück sind Produkte, die das Hundeleben ein Stück bunter machen: Die „Pawty Brause“ auf Basis von Knochenbrühe sieht aus wie ein Glas Sekt – einmal mit Erdbeerpulver als roséfarbene Variante, einmal mit Kurkuma in Gold. Dazu gibt es Backmischungen für Hundekuchen, bunt gefärbte Kokosraspeln als Konfetti, ausgewähltes Spielzeug und Wimpelketten, mit denen der Hundegeburtstagstisch dekoriert werden kann. Alles ohne künstliche Zusätze, hergestellt in Deutschland. „Wir wollten Produkte, die Spaß machen und gleichzeitig gesund sind“, erklären die zwei ihr Konzept.
Der Weg dahin war allerdings kein Selbstläufer. Ihr erster Produzent stellte die Fertigung nach kurzer Zeit ein – ein Rückschlag, der die Pläne für den Vertrieb zunächst ausbremste.
Auf Messen zeigte sich aber, wie groß das Interesse an ihrer Idee ist: „Die Leute standen Schlange an unserem Stand, das hat uns bestärkt, weiterzumachen.“ Inzwischen arbeiten sie mit einem neuen Hersteller zusammen, der größere Mengen liefern kann.
„Gerade weil wir uns in einem Bereich selbstständig gemacht haben, in dem es kaum Erfolgsrezepte gibt, war die Begleitung durch die IHK Lüneburg-Wolfsburg unglaublich wertvoll. Sie haben uns Tipps gegeben, die wirklich zu unserem Konzept passten, und uns geholfen, in schwierigen Momenten den Überblick zu behalten.“
Ihre Kunden sind so bunt wie die Hundepartyprodukte selbst – von der jungen Frau mit Designerhandtasche bis zum älteren Herrn mit kleiner Rente. „Für viele ist der Hund einfach ein vollwertiges Familienmitglied. Daher wird auch der Geburtstag gefeiert“, sagt Peters. Ein weiterer Treiber seien die Sozialen Netzwerke. Die Produkte seien „instagrammable“. Bilder vom Hund mit Torte oder Brause würden nur zu gerne geteilt, und so verbreite sich die Marke fast von selbst. Natürlich schütteln manche bei der Idee, Hundegeburtstage zu feiern und darauf sein Business aufzubauen, den Kopf. Das sei den Gründerinnen von Anfang an klar gewesen. Doch sie glauben an ihr Konzept. Ihr Credo bleibt: keine Verkleidung, keine albernen Gags. Dafür aber liebevoll gestaltete Pakete, die hochwertig aussehen und schmecken. „Am Ende macht man die Party natürlich auch für sich selbst“, sagt Nadine Peters.
Zwischen Notwendigkeit und Nische
Die Beispiele zeigen, wie breit die Hundebranche heute aufgestellt ist. Gemeinsam haben sie alle eines: Sie bedienen einen Markt, der stetig wächst und sich professionalisiert. Mit steigenden Hundezahlen und wachsender Erwartungshaltung an Gesundheit, Erlebnis und Außendarstellung wird die Branche in den kommenden Jahren noch weiter an Bedeutung gewinnen. Für Unternehmen eröffnet das Chancen, aber auch Verantwortung. Denn zwischen Fürsorge und Vermenschlichung liegt ein schmaler Grat – und genau hier entscheidet sich, welche Ideen Zukunft haben.
Haustier in Zahlen
10,5 Mio. Hunde lebten 2024 in deutschen Haushalten.

Der deutsche Heimtiermarkt setzte 2024 insgesamt knapp 7 Mrd. Euro um.
17,5 Mio. Katzen lebten 2024 in deutschen Haushalten.

Allein der Markt für Hundefutter (stationärer Handel) lag bei rund 1,8 Mrd. Euro.
Quelle: Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF)