Der Tod als täglicher Begleiter
Wenn das Leben endet, beginnt für andere die Arbeit. In Schleswig-Holstein gibt es eine ganze Branche, die sich mit dem Tod, dem Abschiednehmen und dem Erinnern beschäftigt. Bestatterinnen, Friedhofsgärtner oder Steinmetze gestalten letzte Wege – in einer Gesellschaft, die den Tod oft lieber verdrängt. Die Ansprüche an die Unternehmen wandeln sich: Traditionelle Erdbestattungen auf dem Friedhof mit großem Grabstein werden weniger. Stattdessen gewinnen individuelle, pflegeleichte und naturnahe Formen an Bedeutung. Dabei ist die Branche längst mehr als stille Begleiterin: Sie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig – und steht gleichzeitig vor emotionalen und strukturellen Herausforderungen.

Blickpunkt: Lebensende
Trauerfeier statt Sportunterricht
Anja Beutler wollte ursprünglich Lehrerin werden. Doch statt Sport und Englisch zu unterrichten, spendet sie heute Trost und sorgt für einen würdevollen Abschied. Gemeinsam mit ihrem Mann Kapitän Heinz Beutler führt sie die Firma Beutler Bestattungen mit Hauptsitz in Stein. „Ich wollte etwas Sinnstiftendes tun“, erzählt die Bestattermeisterin von ihrer Entscheidung, in den Familienbetrieb ihres Mannes einzusteigen. Ihr pädagogischer Hintergrund helfe ihr heute bei den Gesprächen mit Hinterbliebenen. Die Arbeit mit den Verstorbenen mache nur einen Bruchteil ihres Alltags aus. Das meiste passiere mit den Angehörigen und anderen Dienstleistern. Dabei seien die Wünsche so individuell wie die Menschen an sich: Musik zur Trauerfeier, selbst bemalte Urnen, digitale Gedenkseiten:„Wenn man den Raum betritt, sollte man den Verstorbenen sofort erkennen.“
Täglich mit dem Tod zu arbeiten, ist manchmal belastend – auch für Anja Beutler. Der Austausch mit ihrem Mann sei ihr eine große Stütze, und sie habe gelernt, sich abzugrenzen. Doch eines beschäftigt sie heute noch: „Mit Familienzwist kann ich umgehen, aber wenn Menschen im Alter allein sterben, nimmt mich das mit.“
Nachhaltige Bestattung
Ein Thema, das Anja Beutler bei ihrer Arbeit besonders wichtig ist: Nachhaltigkeit. Das Unternehmen ist daher Teil der Grünen Linie, verwendet regionale Produkte, verzichtet auf Plastik im Blumenschmuck und betreibt ein emissionsarmes Schiff für die Seebestattungen im Hafen von Marina Wendtorf.
Trotz aller Hingabe und Einfühlsamkeit: Die Branche steht unter Druck. Neue gesetzliche Fristen erschweren den Alltag. Werbung? In dieser sensiblen Branche kaum möglich. Und wie soll man Empathie abrechnen? Gespräche mit Hinterbliebenen dauern oft länger als geplant. Dafür nehme sich Anja Beutler die Zeit. Natürlich ohne Mehrkosten zu verlangen. Was sie sich für die Zukunft wünscht? Mehr Offenheit beim Umgang mit dem Tod und mehr Farbe. „Der Tod darf ruhig ein bisschen bunter werden“, findet sie.
Ruhige Wurzeln statt Grabstein
Neben Seebestattungen werden auch Waldbestattungen vermehrt nachgefragt. Auf einer Fläche von 14 Hektar verschmelzen im Ruhepark Lehmkuhlen Natur und Abschiedskultur miteinander. Hinrich von Donner hat das denkmalgeschützte Arboretum in einen Begräbniswald verwandelt. „Ein Gartendenkmal ist zwar sehr schön – aber wirtschaftlich nicht tragfähig. Der Ruhepark bringt beides zusammen.“
Die Nachfrage von Grabstätten unter einer alten Eiche oder Blutbuche wächst: Vor zehn Jahren führte von Donner noch 70 Beisetzungen pro Jahr durch, heute sind es fast doppelt so viele. Kein Wunder: Weniger Pflegeaufwand, geringere Kosten und ganz nah an der Natur sein – für viele sind dies entscheidende Argumente für diese besondere Form der letzten Ruhe.
Den Ruhepark im Kreis Plön gibt es seit 2006. Damit ist er der erste Begräbniswald Schleswig-Holsteins. Zum Start habe von Donner dicke Bretter bohren und etliche bürokratische Hürden nehmen müssen. Heute berät er Waldbesitzer, und auch sein nächstes Projekt steht bereits fest: ein Aschestreufeld. Mit der kürzlichen Gesetzesänderung darf die Asche von Verstorbenen in Schleswig-Holstein künftig ohne Urne beigesetzt werden. Auf vier Hektar soll diese bald neben dem Ruhepark verstreut werden können. Dafür klärt der Waldbesitzer aktuell die Voraussetzungen und Umwelteinflüsse: „Wir arbeiten hier mit Boden, den wir auch wertschätzen und die nächsten hundert Jahre weiter nutzen wollen.“
Tradition mit modernem Schliff
Auch wenn sich die Art und Weise der Bestattung aktuell im Wandel befindet: Es gibt sie noch, die traditionellen Begräbnisse. Und es gibt die Menschen, die diese möglich machen. Martina Stumpf ist Steinmetzin in vierter Generation. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie den Familienbetrieb Stumpf-Natursteine in Eutin. In echter Handarbeit bringt sie die Namen der Verstorbenen in die Gedenksteine.
„Jeder Stein erzählt eine Geschichte“, sagt sie, während sie liebevoll über den „Lappland Green“ aus Skandinavien streicht. Dieser sei mit seinen schimmernden Grüntönen etwas ganz Besonderes. Doch Billigware aus dem Internet mache der Branche zu schaffen. Das Problem: Die Grabplatten aus dem Netz seien häufig dünner als die Mindestvorgaben auf den Friedhöfen. „Ich habe die unzufriedenen Kunden später wieder bei mir sitzen, die dann einen zweiten kaufen müssen.“
Mit Blick auf den Wandel mache sich Martina Stumpf um ihren Betrieb keine Sorgen. Sie habe zwar Schwierigkeiten, Auszubildende oder Mitarbeitende zu finden, aber „Wir werden vielleicht klein bleiben, doch es wird immer Menschen geben, die auf dem Friedhof mit einem Grabstein beerdigt werden möchten.“






















Klimawandel in der Grabpflege
Auch Friedhofsgärtner Bernd Christensen glaubt an die Zukunft seiner Profession. Neben der klassischen Grabpflege kümmert er sich um die Wege sowie die Instandhaltung des Friedhofs in Bordesholm. Für ihn bedeuten Friedhöfe mehr als eine letzte Ruhestätte. Sie seien friedvolle Orte, die zum Spazierengehen und Innehalten einladen – ähnlich wie Parks, nur mit weniger Lärm und mehr Entschleunigung.
Häufig pflanze Christensen noch klassische Bodendecker wie Begonien, Efeu oder Kriechenden Günsel auf die Gräber. Doch durch den Klimawandel finde ein Umdenken statt. Hitzeresistente und bienenfreundliche Pflanzen wie Phlox, Sonnenhut oder Frauenmantel erhalten Einzug. Dabei werden die Gräber zunehmend kleiner. Doch er ist sich sicher: „Arbeit gibt es für uns auf den Friedhöfen trotzdem – nur eben anders.“