Reise durch die Realität der Raumplanung

Die Tür zur Halle fällt mit einem Ruck ins Schloss. Drinnen: Dämpfungselemente an Wänden und Decke, akustische Stille. Kein Empfang, keine Störung. Und doch alles voller Energie. Die Antenne ist ausgerichtet, der Prüfling angeschlossen. „Hier entscheidet sich, ob ein Produkt marktreif ist oder zurück an den Entwicklungstisch muss“, sagt Dr. Hanno Frömming, Geschäftsführer von Treo.

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Politisches Parkett

Die Tür zur Halle fällt mit einem Ruck ins Schloss. Drinnen: Dämpfungselemente an Wänden und Decke, akustische Stille. Kein Empfang, keine Störung. Und doch alles voller Energie. Die Antenne ist ausgerichtet, der Prüfling angeschlossen. „Hier entscheidet sich, ob ein Produkt marktreif ist oder zurück an den Entwicklungstisch muss“, sagt Dr. Hanno Frömming, Geschäftsführer von Treo.

In diesen futuristischen Absorberhallen simuliert das Unternehmen Treo in Neumünster mit elektromagnetischer Strahlung extreme Einsatzbedingungen für Elektronik. Die Kunden kommen aus der Luft- und Raumfahrt, aus der Wehrtechnik, dem Schiffbau oder der Bahnindustrie. Also aus allen strategisch relevanten Clustern des Landes. Die Anforderungen sind hoch – an die Technik wie an den Standort.

„Wir haben zwei Jahre lang einen neuen Sitz gesucht“, sagt Frömming später im Besprechungsraum neben der Halle. „Erst an unserem alten Standort in Kiel. Engagierte Leute, keine Frage. Aber es gab einfach keine geeignete Fläche.“ Mal war es ein Konversionsareal mit ungeklärter Genehmigung, mal ein zu kleines Grundstück in schlechter Lage. „Am Ende war es ein Sumpf“, sagt er, „und ein zu hohes Risiko.“

Die IHK kennt solche Odysseen. Geeignete Industrieflächen sind rar, Altflächen oft unbrauchbar, zerschnitten oder schlecht erschlossen. Sie warnt: „Wer auf Recycling allein setzt, baut auf Sand.“ Stattdessen müssten neue Flächenpotenziale aktiv gesichert werden, nicht erst, wenn der Bedarf schon vor der Tür steht.

Dr. Sabine Schulz, Referentin für Raumordnung bei der IHK zu Kiel, bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen mehr Mut zur Entwicklung, nicht nur zur Nachnutzung. Die wirtschaftliche Transformation gelingt nicht mit der Flächenkulisse von gestern.“

Treo entschied sich für Neumünster. Die Stadt reagierte schnell, die Wirtschaftsförderung präsentierte innerhalb weniger Wochen fünf Grundstücke. „Man wollte uns hier – das hat man gemerkt“, sagt Frömming. Der Bau begann 2019. Entstanden ist eines der modernsten Prüflabore für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) in Europa.

Treo – Labor für Umweltsimulation GmbH wurde ursprünglich in Stade gegründet und hat heute zwei Standorte: den Hauptsitz in Hamburg und das EMV-Labor in Neumünster. Heute ist Treo ein unabhängiges, akkreditiertes Prüfinstitut mit rund 35 Mitarbeitenden. Es bietet Dienstleistungen in Umweltsimulation, Materialprüfung, elektrischer Sicherheit und elektromagnetischer Verträglichkeit.

Die Prüflabore in Neumünster – zwei große Absorberhallen mit wassergekühlten Verstärkern, präzisen Antennensystemen und abgeschirmten Messkabinen – sind State of the Art. Ein Investment im Millionenbereich. Was andernorts fehlt, entsteht dort, wo die Rahmenbedingungen stimmen.

Platzmangel

Die Suche nach Raum kann Jahre dauern, weiß Dr. Hanno Frömming.

Flächensparen mit Augenmaß

Die Bundesregierung will die Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag senken. Schleswig-Holstein auf 1,3 Hektar. Ein ambitioniertes Ziel, das aus Sicht der IHK nur tragfähig ist, wenn es mit Augenmaß verfolgt wird und gemeinsam Regeln entwickelt werden. Denn aktuell würden diese Ziele oft unreflektiert auf Kreise oder Kommunen heruntergebrochen, was dort zu Fehlanreizen, Überforderung und Entwicklungshürden führt. „Wir erleben zunehmend, dass einzelne Kommunen Flächensparziele anwenden, ohne die ökonomischen Konsequenzen mitzudenken“, sagt Schulz. „Das kann im Zweifel bedeuten, dass ein innovatives Unternehmen vor verschlossenen Toren steht. Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung.“

Der Standort als Schlüssel – nicht als Stolperstein

Dass Kiel nicht zum Zug kam, lag nicht am Willen, ist aber beispielhaft für andere Standorte. Über Jahre wurde die Entwicklung neuer Gewerbeflächen vernachlässigt, viele Areale wurden für Wohnungsbau priorisiert. „Auch mit Blick auf den Wohnraummangel und den Zuzug von Fachkräften verständlich“, sagt Schulz, „aber eben einseitig und nicht integrativ.“ Als es drauf ankam, konnte man Treo in Kiel schlicht nichts anbieten.

Die IHK zu Kiel warnte in einer Stellungnahme zur Entwicklung nachhaltiger Vergabekriterien kürzlich genau vor diesem Missverhältnis: Der Wille zur ökologischen Steuerung dürfe nicht in praxisferne Auflagen oder branchenspezifische Diskriminierung umschlagen. Zu oft werde Unternehmen mit speziellem Profil – etwa in der Wehrtechnik – mit Hürden begegnet, die planungspolitisch nicht gerechtfertigt seien.

„Gerade Start-ups und spezialisierte Mittelständler können sich aufwendige Antragsverfahren, CSR-Kriterien oder Mobilitätskonzepte oft nicht leisten“, betont Dr. Schulz. „Wenn wir sie überfordern, wandern sie ab. Eine politische Einordnung der Betriebe nach gut und schlecht können wir uns auch im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr erlauben.“

Neumünster zeigt, wie es anders geht. Hier wird Flächenpolitik als Wirtschaftspolitik verstanden. Und das zahlt sich aus. Heute beschäftigt Treo mehr als 30 qualifizierte Mitarbeitende, bildet aus, investiert in Digitalisierung und entwickelt Zukunftstechnologie für internationale Märkte. Im Geschäftsjahr 2024 konnte Treo laut Frömming deutlich wachsen, insbesondere durch neue Kunden aus dem süddeutschen Raum und dem Ausland. Verteidigungs- und Bahntechnik sind Wachstumstreiber.

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Regionalplanung: Beteiligung ist Pflicht, nicht Kür

Seit April 2025 liegen neue Entwürfe für die Regionalpläne I bis III vor. Sie lösen die bisherigen Pläne ab und konkretisieren den Landesentwicklungsplan (LEP). Gewerbeflächen, Infrastrukturachsen, Schutzgebiete: all das wird neu verhandelt.

Die IHK ruft dringend zur Stellungnahme auf. „Jetzt ist der Moment, Einfluss zu nehmen“, sagt Schulz. Die IHK selbst hat sich aktiv eingebracht, nicht nur für mehr Fläche, sondern für realitätsnahe Nutzung, kluge Steuerung und planungssichere Rahmenbedingungen. „Raumordnung darf nicht in Aktenordnern stecken bleiben“, mahnt Schulz. „Sie muss Unternehmen verstehen und ihnen Zukunft ermöglichen.“

Wirtschaft braucht Fläche Wirtschaft braucht Fläche

Flächenpolitik ist auch Energie- und Infrastrukturpolitik. Der Ausbau der Offshore-Windenergie, der Netzinfrastruktur und der Wasserstoffwirtschaft erzeugt massiven Flächenbedarf – für Netzknoten, Konverterstationen, Umspannwerke und Häfen. Ohne Raum keine Umsetzung. Ohne Raum keine Energiewende. Die IHK warnt: „Wer Flächennutzung zu eng definiert, blockiert die Transformation.“

Auch Unternehmen wie Treo sind betroffen. Die Zahl der Prüfaufträge im Verteidigungs- und Energiebereich wächst. Die Projekte werden komplexer und brauchen mehr Vorlauf. „Was wir heute planen, bauen wir vielleicht in zwei Jahren“, sagt Frömming. „Wenn wir die Flächen nicht haben oder die Versorgung nicht stimmt, können wir nicht wachsen.“

Abschirmung ja – Abschottung nein

Zurück in der Absorberhalle. Der Test läuft, das Gerät reagiert unauffällig. In der abgedunkelten Kabine nebenan wird die Emissionskurve auf einem Monitor überwacht. Die Kurve bleibt flach, die rote Linie wird nicht überschritten. Ein gutes Zeichen.

Treo ist ein Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn Kommunen, Unternehmen und Planung zusammenspielen. Damit solche Entscheidungen Schule machen, braucht es nicht nur Pläne – sondern den Willen, sie wirtschaftlich zu denken. „Ein Unternehmen braucht mehr als eine Fläche. Es braucht eine Perspektive“, sagt Schulz. „Und die beginnt bei der Raumordnung und klugem Flächenmanagement.“

Karsten von Borstel (IHK)
Claus-Christian Schaar (IHK)