Endlich Feierabend

Wirtschaft im Bild

Wer sich für ein eigenes Unternehmen entscheidet, hat selten geregelte Arbeitszeiten. Die Verantwortung hört nicht um 17 Uhr auf, weder für die Kundinnen und Kunden noch für das Team und schon gar nicht für sich selbst. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer kennen daher den Satz: „Selbstständig heißt selbst und ständig.“ Wir haben uns umgehört, wie Selbstständige die Balance finden, und haben sie in ihrer Freizeit besucht.

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Selbstständig heißt selbst und ständig.

Was oft mit einem Augenzwinkern gesagt wird, beschreibt eine Realität, die körperlich und mental fordert. Denn wer ist eigentlich dafür zuständig, einer Chefin oder einem Chef zu sagen, wann Feierabend ist? Sie müssen es sich selbst sagen. Und das ist manchmal gar nicht so einfach – besonders, wenn Verantwortung, Engagement und Leidenschaft ineinandergreifen.

Bewegung als Befreiung

Thomas Tucker, Co-Gründer des Kieler Softwareunternehmens PCT digital GmbH, ist beruflich viel unterwegs. Sein Ausgleich: das Wasser. Als Rettungsschwimmer nimmt er für die DLRG an Wettkämpfen teil und unterrichtet Kinder im Verein. Für Tucker ist das Ehrenamt kein Restzeitmodell, sondern eine bewusste Entscheidung. Warum? „Weil ich glaube, dass Vereine das Rückgrat der Demokratie sind.“

Auch Finanzberaterin Ute Regina Voß findet ihren Ausgleich im Wasser – allerdings stehend, auf dem SUP-Board. „Das zwingt mich, ganz im Moment zu sein. Auf dem Wasser gibt es keinen Raum für Grübeleien.“ Ihre 2020 gegründete SUP-Community SH auf Facebook zählt heute mehr als 1.700 Mitglieder. Was sie daran liebt: den Austausch auf Augenhöhe, ohne Konkurrenzdenken. „SUPen ist mein Miniurlaub vor der Haustür.“

Kultur statt Kalender

Christiane Ladwig ist Agenturchefin der goldbutt communication gmbh – und Ortsbeirätin für das Schleswig-Holstein Musik Festival. Jährlich drei Konzerte in der Bordesholmer Klosterkirche begleitet sie mit einem Team aus Ehrenamtlichen. „Ich bin keine Klassikkennerin, aber ich mag die Begegnungen mit den Künstlerinnen und Künstlern. Die bringen neue Perspektiven und Impulse in mein Denken.“ Dabei kann sich Ladwig auf ihre Mitarbeitenden verlassen. „Mein Team weiß, dass ich dann eingebunden bin. Der Kalender wird freigehalten.“

Frank-Roland Tietz liebt Immobilien – und Hamburg. Mit dem typischen „Fleetenkieker“ auf dem Kopf und einem Geschichtsbuch unter dem Arm wird er in seiner Freizeit zum Stadtführer. Ob in einer privaten Kleingruppe oder mit einer ganzen Busladung von Gästen, es ergeben sich für ihn immer wieder spannende Gesprächsanlässe und eine großartige Atmosphäre. „Die Führungen sind wie ein anderes Kapitel meines Lebens. Ich mag die intellektuelle Herausforderung.“ Das ist sein Weg, zwischen Beruf und Berufung zu balancieren – mit einer Portion Pannfisch zum Abschluss.

Tanzen im eigenen Takt

Norma Jensen kennt als Sparringspartnerin für Unternehmerinnen und Unternehmer das Spannungsfeld zwischen Leistung und Loslassen. Ihr Feierabend gehört dem Flamenco. Seit 25 Jahren tanzt sie mit einer festen Gruppe – laut, leidenschaftlich, konzentriert. „Flamenco ist kein weiterer Wettkampf wie im Job. Da kann ich eine andere Seite von mir zeigen.“ Das Klacken der Schuhe, die Spannung im Körper, das Schwingen des Rocks – all das bringt sie zurück zu sich. „Der Feierabend ist die Kür, nicht die Pflicht. Er gehört dem, was das Herz begeistert.“

Der fünfmalige deutsche Rock ‘n‘ Roll-Meister Tim Eisenreich ist seit 2010 Trainer, baut seit 2016 den Verein in Kiel auf und ist seit 2024 sogar im Bundestrainerteam. In seinem Unternehmen, der Karow & Eisenreich Consulting GmbH & Co. KG, weiß er, dass es Zeit für den Feierabend ist, wenn die zweite oder dritte Aufgabe keinen Spaß mehr macht. Er ist ein zufriedener und engagierter Mensch. „Ich möchte aktiv gestalten in meinem Leben. Und ich kann Rock ‘n‘ Roll ganz gut. Die perfekte Kombination, um mich als Trainer auszutoben.“

Unterwegs, um anzukommen

Für Peer Olav Breuss beginnt der Feierabend auf zwei Rädern. Der Immobilienmakler ist unter der Woche voll eingespannt, aber wenn es geht, lädt er sein Motorrad in den Lieferwagen – und los geht’s, oft mit seiner Frau: „Kein Netz zu haben, das ist mein Ziel.“ Auf ihren Touren zählt nicht der Komfort, sondern das Draußensein. „Ich habe eine Work-Life-Balance, die nicht geschäftsförderlich, aber glücksförderlich ist.“

Auch Julia Brinckman, Journalistin und Gründerin der Gewürzmarke „B: liebt“, setzt auf Bewegung – in der Küche. „Kochen bringt mich in Schwung. Ich wirble durch die Küche, da wird der Kopf frei.“ Ihre Gewürzmischungen tragen Namen wie „Kiek mol“ oder „Dat Mutt“ und bringen den Norden auf den Teller. Feierabend heißt für sie nicht zwingend aufwendig kochen: „Manchmal reicht auch ein Käsebrot. Aber mit der richtigen Würze.“

Treffsicherheit

„Früher konnte ich nicht akzeptieren, dass Arbeit auch mal liegen bleiben kann”, gesteht Vicky Radtke, die zusammen mit zwei Kolleginnen im Jahr 2024 die Geschäftsführung bei der MOIN Bio Backwaren GmbH übernahm.

Die passionierte Dartspielerin hat durch den beruflichen Aufstieg und die Geburt ihres Kindes weniger Zeit für ihr Hobby und gelernt, zwischen Dringendem und Notwendigem zu unterscheiden. „Diese Abwägung gilt es aber jeden Tag aufs Neue vorzunehmen. Und wie den Bewegungsablauf beim Wurf auf die Dartscheibe, habe ich diese Kunst noch nicht perfektioniert”, bilanziert sie mit einem Schmunzeln.Für Vicky Radtke wie für alle unsere Protagonisten ist Feierabend nicht nur eine Uhrzeit. Für Selbstständige ist es eine bewusste Entscheidung – gegen Dauerverfügbarkeit, für Selbstfürsorge. Die Geschichten zeigen: Wer unternehmerisch viel gibt, muss auch wissen, wie man zurückschaltet. Ob auf dem Bord, dem Bike oder der Bühne – der Feierabend ist kein Stillstand, sondern Bewegung in die eigene Richtung. Endlich.

Miniurlaub vor der Haustür

„Es gibt Parallelen zwischen Vermögensaufbau und SUPen: Umfeldbedingungen beobachten, Sicherheitsbestimmungen einhalten, aber auch die Freiheit, sich einen Spot auszusuchen, der zu einem passt. Auf dem Bord spüre ich mich ganzheitlich. SUPen zwingt mich dazu, den Fokus ganz auf den Moment zu lenken.”

Ute Regina Voß, Inhaberin, frau&vermögen
Unabhängige Anlageberatung U.R. Voß e.K., Flintbek

Frau und Vermögem

Wechselwirkung zwischen Menschen und Architektur

„Für Familie, Freunde, Geschäftspartner und Hamburg Guides e.V. werde ich zum Stadtführer.

Am liebsten zeige ich das Rathaus, weil es viel über das Selbstverständnis der Hamburger aussagt. Die Beschäftigung mit Geschichte fordert mich intellektuell. Hätten Sie zum Beispiel gewusst, dass die Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals im Hamburger Rathaus stattgefunden hat?“

Frank-Roland Tietz, Inhaber, Tietz Immobilien e.K., Quickborn

Ererbtes Ehrenamt

„Dieses Jahr feiern wir 40 Jahre SHMF – und genauso lange ist die Bordesholmer Klosterkirche Spielort. Von Beginn an engagiert sich meine Familie ehrenamtlich im Ortsbeirat. Zuerst mein Vater, dann mein Bruder und seit 20 Jahren ich. Der Kontakt mit den Künstlern und der Festivalfamilie inspiriert und bereichert mich – von der Anspannung vorm Auftritt bis zu manchem Glas Wein in der Nacht – manchmal auch auf meiner Terrasse.“

Christiane Ladwig, Geschäftsführerin, goldbutt communication gmbh, Bordesholm

goldbutt.de

Reich an schönen Momenten

„Ich arbeite gerne und mache unter der Woche lange Schichten. So gewinne ich Zeit für Motorradreisen mit meiner Frau. Beispielsweise zum Nordkap oder nach Mexiko. Komfort brauche ich nicht. Zelt, Morgenkaffee und meine 15 Jahre alte Maschine reichen mir. Ich habe eine Work-Life-Balance gewählt, die glücksförderlich ist.”

Peer Olav Breuss, Geschäftsführer, TEC-Immobilien GmbH, Elmshorn

Training sticht Geschäftstermin

„Montags bin ich Schwimmlehrer für Kinder – immer. Dieses Training bedeutet mir viel, und kein Geschäftstermin kann wichtiger sein oder sich nicht verschieben lassen. Nach einem Tag im ständigen Dialog finde ich im und unter Wasser auch selbst Ruhe. Die monotone Bewegung der Schwimmzüge hat etwas Meditatives.“

Thomas Tucker, Geschäftsführer PCT digital GmbH, Kiel

pct-digital.de

Perfekte Punkte

„Darts schaue ich gern im Fernsehen oder auf der Bühne an. So bin ich zu diesem Sport gekommen. Ich spiele allerdings nicht in der Kneipe, sondern nur zuhause für mich. Dafür werde ich häufig belächelt, nicht selten mit dem Spruch, dass Darts ja gar kein ‚richtiger‘ Sport sei. Natürlich ist es kein Kraftsport, dafür aber ein faszinierender Präzisionssport. Dies zieht mich magisch an, ich kann manchmal gar nicht aufhören zu spielen.”

Vicky Radtke, Geschäftsführerin, MOIN Bio Backwaren GmbH, Glückstadt

moin.bio

Von der Erholung zum Erwerb

„Kochen bringt mich in Bewegung. Ich probiere gern Neues aus – auch wenn ich es noch nicht perfekt kann. Was als Erholung nach einem Arbeitstag vor dem PC begann, ist seit einiger Zeit zum Erwerb geworden. Meine Gewürzmischungen sind für Menschen wie mich, die eigentlich wenig Zeit fürs Kochen haben, aber gerne gut essen.“

Julia Brinckman, Gründerin, B:liebt, Scharbeutz

b-liebt.de

Wachstumsschub

„Der Tanzsport hat mich persönlich als Sportler und als Menschen wachsen lassen. Ich habe gelernt zu verlieren, diszipliniert zu sein, mich zurückzunehmen oder auch mal nach vorne zu stellen. Das möchte ich als Trainer weitergeben, weil es vor allem für Kinder nichts gibt, was dir mehr Selbstbewusstsein und Disziplin verleihen kann. Dafür muss man nicht deutscher Meister sein.”

Tim Eisenreich, Geschäftsführer, Karow & Eisenreich Consulting GmbH & Co. KG, Kiel

kunde.consulting

Der Feierabend als Kür

Bei einer Aufführung ‚Hip-Hop meets Flamenco‘ hat mich der Flamenco so begeistert, da habe ich gleich einen Tanzkurs besucht. Als typisch Norddeutsche wirke ich eher kühl und konservativ. Das ist in meinem Berufsleben auch so gewollt. Im Flamenco kann ich andere Seiten von mir ausleben, leidenschaftlich und feminin sein.“

Norma Jensen, Inhaberin, achtsaam Business Workshops, Kiel

achtsaam.de
Kristina Jagszent, Julia Romanowski, Alexandra Thom
Adina Merkel