Verpackungssteuer: In den Müll damit?
Frische Salate, gesunde Bowls, Wraps und natürlich Kaffee. Bei dean&david am Kieler Bootshafen gibt es alles auch zum Mitnehmen. Doch während Gäste zwischen Einweg und Mehrweg wählen, diskutieren Kommunen überall im Land über eine Verpackungssteuer. Die IHK warnt: Statt Nachhaltigkeit zu fördern, drohen neue Bürokratie, Kosten und Wettbewerbsnachteile.
Wir setzen uns an einen der kleinen rechteckigen Tische. Noch ist es ruhig. In der Küche schneiden Mitarbeitende Gemüse, hinter dem Tresen werden Boxen gestapelt, Muffins aufgefüllt und die Kaffeemaschine angeheizt. Ein paar letzte Handgriffe, bevor um 11:30 Uhr Studierende und Angestellte aus der Nachbarschaft für ein gesundes Mittagessen oder einen Coffee to go hereinströmen. Aber auch bei Touristinnen und Touristen ist das dean&david beliebte Anlaufstelle.
Statt nur auf Einweg setzt das Franchise-Restaurant dean&david mit 80 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz freiwillig auf Mehrweg: ob der babyblaue RECUP-Becher oder die lindgrüne Pfandbox – „Hauptsache nachhaltig“, betont Filialinhaber Lars Lenßen. Seit 2017 führt er das Kieler Restaurant mit dem Ziel, gesunde Nahrungsmittel schnell, aber verantwortungsvoll anzubieten. Was auf den ersten Blick „nur“ wie ein Snack wirkt, ist längst Teil einer politischen Debatte: Wie lassen sich Fast Food und Nachhaltigkeit vereinbaren? Während die Stadt Kiel noch über eine Verpackungssteuer diskutiert, haben viele Gastronomen bereits gehandelt. Auch dean&david führte schon mit der ersten Filiale 2007 in München ein eigenes Mehrwegsystem ein.

Nachhaltig, aber machbar: Bei dean&david ist Mehrweg längst Alltag. Die IHK setzt sich dafür ein, dass die geplante Verpackungssteuer umweltfreundliche Lösungen fördert, ohne Gastronomie und Handel übermäßig zu belasten.
Politische Debatte
Auf Bundes- und EU-Ebene bewegt sich einiges. Seit 1. Januar 2025 gilt das Einwegkunststofffondsgesetz: Hersteller und Inverkehrbringer von Einwegkunststoffen müssen in einen Fonds einzahlen, aus dem auch Kommunenunterstützt werden. „Unternehmen tragen schon heute Verantwortung für die Entsorgung von Kunststoffabfällen – über den Fonds fließen Gelder an die Städte und Gemeinden für Maßnahmen zur Abfallvermeidung“, erläutert Maria Erichsen, Referentin für Umwelt und Energiepolitik aus dem Geschäftsbereich Standortpolitik, Innovation und Umwelt der IHK zu Kiel.
Aus Sicht der IHK ist es daher entscheidend, erst einmal die Wirkung dieser bundesweiten Regelung abzuwarten. „Kommunale Sondersteuern führen zu einer unübersichtlichen Mischung an Abgaben und belasten die regionale Wirtschaft“, so Maria Erichsen.
"Ob RECUP-Becher oder die lindgrüne Pfandbox – Hauptsache nachhaltig."
Lars Lenßen
To go oder to stay?
In der Kieler Filiale von dean&david am Bootshafen bricht gerade die Mittagszeit an. Heute gehen bis zu 50 Gerichte in Mehrwegbehältern über die Theke. „Vor allem Stammkunden aus der Nachbarschaft nutzen das Angebot regelmäßig und entscheiden sich zunehmend für die nachhaltige Variante“, weiß Lenßen. Das Bewusstsein für weniger Verpackungsmüll sei zwar da, doch um das Konzept in die Breite zu tragen, müsse noch einiges passieren.
Wie schwer es ist, mit einer lokalen Verpackungssteuer tatsächlich Müll zu reduzieren, zeigt Tübingen: Dort wurde seit 2022 eine solche Abgabe erhoben – das Abfallaufkommen in den öffentlichen Mülleimern ging laut einer Untersuchung der Universität Tübingen jedoch nicht zurück. Auch in Schleswig-Holstein wird diskutiert: Wie in Kiel ist die Debatte beispielsweise in Schwentinental noch offen – die CDU lehnt ab, andere Parteien bringen Vorschläge ein.
To go oder to stay? Für viele ist die Entscheidung eine praktische, keine philosophische: Wird die Box wieder mitgenommen – oder landet sie im Müll? Schnell noch einen Kaffee vor der Arbeit oder Pommes rot-weiß in der Pappschachtel im Freibad. Genau hier liegt die Herausforderung: Nachhaltigkeit sollte im Alltag nicht zum Hindernis werden, sondern muss genauso bequem sein wie Einweg.
Wichtig seien positive Anreize und vor allem: „die Machbarkeit“, so Lenßen. Eine reine Verpackungssteuer wie in Tübingen greife zu kurz: „Am Ende zahlt der Verbraucher.“ Heißt konkret: Der Kaffee wird teurer, doch die überquellenden Mülleimer in Parks und Innenstadt bleiben. Hinzu käme ein enormer Bürokratieaufwand. Das fängt beim Kontrollieren der Bestellungen an und reicht bis zur Abrechnung jeder einzelnen Verpackung. „Und natürlich gibt es auch viele Menschen, die ihre eigenen To-go-Becher nutzen – was im Sinne der Nachhaltigkeit sehr begrüßenswert ist“, merkt Lenßen an.
Die IHK spricht sich grundsätzlich gegen freiwillige Sondersteuern aus, die einzelne Kommunen eigenständig erheben. Nach den wirtschaftlichen Einbußen der vergangenen Jahre schöpfen viele Unternehmen wieder Hoffnung und benötigen Freiräume, um sich zu entwickeln und Investitionen zu planen.
Eine zusätzliche kommunale Steuer würde genau diesen Aufschwung bremsen: Sie erzeugt Mehraufwand in Verwaltung und Betrieben, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit regionaler Unternehmen und kann Marktverzerrungen verursachen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung angekündigt, Bürokratie drastisch zu reduzieren, um Unternehmen zu entlasten. „Einzelne Sondersteuern auf lokaler Ebene konterkarieren diesen Ansatz und erschweren die wirtschaftliche Erholung unnötig“, warnt Maria Erichsen.
Pfand statt Sondersteuer
Damit Mehrweg nicht zur Sackgasse wird, braucht es ein System, das über einzelne Restaurants hinaus funktioniert. Ein einheitliches Konzept, bei dem Mehrwegbehälter in jedem teilnehmenden Restaurant zurückgegeben werden können – unabhängig davon, wo man sie bekommen hat. Wer aus Hamburg anreist oder aus den Kieler Randbezirken kommt, gibt seine To-go-Box genauso unkompliziert zurück wie jemand aus der Innenstadt. Ein flächendeckendes Pfandsystem könnte zusätzlich dafür sorgen, dass Boxen und Becher – ähnlich wie Glasflaschen – an Sammelstationen in der Stadt abgegeben werden können, rund um die Uhr.
Klingt nach Zukunftsmusik? Ein Blick zu unseren skandinavischen Nachbarn zeigt: Unkompliziert und nachhaltig essen kann schon heute Realität sein. Aarhus, die Stadt an der dänischen Ostküste, macht es vor und testet bereits ein Pfandsystem mit Rücknahmeautomaten. Über einen Zeitraum von drei Jahren können die Becher nach dem To-go-Genuss in speziellen Pfandautomaten im Zentrum der Stadt abgegeben werden. Mut für neue Lösungen wünscht sich Lars Lenßen auch: „Denn nur wenn das Handling für den Kunden im oft hektischen Alltag praktikabel ist, setzen sich nachhaltige Systeme langfristig durch.“ Trotz vieler Herausforderungen blickt er positiv in die Zukunft. „Wir sind in einem guten Austausch mit der Stadt Kiel, und am Ende wollen wir doch alle das eine: weniger Müll auf den Straßen und mehr gelebte Nachhaltigkeit im Alltag.“