
„Der Storch wirkt tapsig, aber wenn er fliegt, ist er majestätisch“
Holstein Kiel feiert 125 Jahre Vereinsgeschichte. Der kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Schwenke spricht im Anker über den Storch als Markenzeichen, die Herausforderungen von Abstieg und Aufstieg, solide Finanzen, den schleppenden Stadionausbau – und über die Bedeutung des Vereins als Wirtschaftsfaktor in Schleswig-Holstein.
Herr Schwenke, Holstein Kiel wird oft einfach „die Störche“ genannt. Was bedeutet dieses Symbol für Sie?
Wolfgang Schwenke: Der Storch Stolle ist unser Erkennungszeichen. Er steht für das, was Holstein Kiel ausmacht: Bodenständigkeit und Eleganz zugleich. Der Storch wirkt tapsig, aber wenn er fliegt, ist er majestätisch. Er hat ein enormes Durchhaltevermögen und ist robust.
… und kommt immer wieder nach Hause.
Wolfgang Schwenke: Auch das passt gut zu uns: Wir sind ein Verein, der auf Beständigkeit setzt und eng mit seiner Heimat verbunden ist. Das gilt auch für unsere Mitarbeitenden. Wir haben wenig Fluktuation. Viele Mitarbeitende sind seit Jahren, manche seit Jahrzehnten dabei. Wenn jemand den Verein verlässt, dann meist wegen familiärer Gründe oder weil er in einer anderen Region arbeiten möchte. Das zeigt, wie sehr Holstein für Heimat und Verlässlichkeit steht – und genau das finden wir auch im Symbol des Storches wieder.
Gleicht die Führungskultur im Verein der eines Unternehmens?
Wolfgang Schwenke: Wir sind familiär, nahbar und sachlich in den Entscheidungen. Das unterscheidet uns von manchem Unternehmen, in dem Hierarchien dominanter sind. Wir setzen auf Argumente und Zusammenarbeit. In Klausurtagungen haben wir mit unseren Führungskräften eine gemeinsame „DNA“ entwickelt, die von allen getragen wird. Das schafft Verbindlichkeit – und erinnert stark an mittelständische Firmen, die ebenfalls auf Teamgeist, kurze Wege und Verlässlichkeit bauen.
In der Bundesliga-Saison haben viele erwartet, dass Holstein stärker investieren und auf Shoppingtour gehen würde. Warum sind Sie einen anderen Weg gegangen?
Wolfgang Schwenke: Weil wir seit jeher solide wirtschaften. Wir geben nicht mehr Geld aus, als wir haben – das war in der 4. Liga so, und das gilt auch heute. Natürlich sind in der Bundesliga die Versuchungen groß, schnell viel Geld in neue Spieler zu stecken. Aber wir wollten nicht alles auf Pump riskieren. Andere Vereine sind hoch verschuldet, wir nicht. Wir sind überzeugt: Langfristig zahlt sich Nachhaltigkeit aus.
Trotzdem: Ein Abstieg ist ein Einschnitt. Wie verhindert man, dass die Spieler und Mitarbeiter in eine Art Depression fallen?
Wolfgang Schwenke: Das Wichtigste ist, den Abstieg nicht als Ende, sondern als Teil des Weges zu sehen. Acht Jahre 2. Bundesliga sind für einen Verein unserer Größe keine Selbstverständlichkeit. Natürlich ist ein Abstieg bitter, aber wir haben ihn nicht als Katastrophe betrachtet. Wir versuchen, den Blick nach vorn zu richten: neue Spieler, neue Chancen. Und wir haben eine starke Gemeinschaft. In der Bundesliga-Saison war der Teamgeist so außergewöhnlich, dass alle Prämien gleich verteilt wurden – das habe ich im Sport noch nie erlebt. Diese Solidarität macht es leichter, Rückschläge gemeinsam zu verkraften.
Holstein ist längst auch ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. Haben das immer alle so auf dem Schirm?
Wolfgang Schwenke: Wir haben unseren Umsatz seit 2009 von fünf Millionen bis 2025 auf 65 Millionen Euro gesteigert. Damit bewegen wir uns in einer Größenordnung, die mit vielen mittelständischen Unternehmen vergleichbar ist. Wir sind Arbeitgeber, Partner und Netzwerkplattform zugleich. Mehr als 440 Unternehmen engagieren sich bei uns – von kleinen Betrieben bis zu großen Konzernen. In unseren VIP-Räumen begegnen sich alle Besucherinnen und Besucher auf Augenhöhe. Das unterscheidet uns von anderen Vereinen: Bei uns gibt es keine abgeschotteten Lounges für Hauptsponsoren. Jeder kann mit jedem ins Gespräch kommen.
Wie eng ist Holstein mit der regionalen Wirtschaft verflochten?
Wolfgang Schwenke: Sehr eng. Wir bieten Unternehmen eine Plattform, um sich zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen. Bei unseren monatlichen Stammtischen kommen regelmäßig 150 bis 200 Entscheider zusammen – Spieler, Trainer und Vereinsführung sind dabei. Daraus entstehen Kooperationen weit über den Sport hinaus. Holstein ist ein Sympathieträger, mit dem Unternehmen ihre eigene Kommunikation verstärken können.
Wünschen Sie sich von der Wirtschaft manchmal noch mehr Engagement?
Wolfgang Schwenke: Wir haben schon eine beeindruckende Entwicklung hinter uns: von 60 Partnern vor 16 Jahren auf heute 440. Aber da geht noch mehr. Gerade in einer Region mit so vielen innovativen Mittelständlern. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Unternehmen erkennen, wie sehr ein Engagement bei Holstein ihre eigene Sichtbarkeit und Vernetzung stärken kann.
Ein großes Thema ist der Stadionausbau. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung?
Wolfgang Schwenke: Grundsätzlich positiv, auch wenn es natürlich bürokratische Hürden gibt. Wir begleiten das Projekt seit 16 Jahren, das ist eine lange Zeit. Wir bauen bei laufen dem Spielbetrieb am gleichen Standort, was es besonders anspruchsvoll macht. Die Stadt und das Land sind eng eingebunden, wir stehen im regelmäßigen Austausch. Aber natürlich gibt es in Deutschland viele Vorschriften, die Prozesse verzögern. Wenn das erste Stück abgerissen wird, wird die Dynamik allerdings spürbar. Das Stadion bewegt die Stadt.
Im Zusammenhang mit dem Stadionausbau wurde auch sehr emotional über Namensrechte diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
Wolfgang Schwenke: Es gibt viele Möglichkeiten der Einnahmen- und Vermarktungsquellen, aber wir wissen um die Sensibilität der Thematik hinsichtlich der Namensrechte des Holstein-Stadions.
Holstein Kiel ist nicht der einzige Spitzenverein in der Stadt. Wie sehen Sie den Sportstandort Kiel – auch im Vergleich mit dem THW?
Wolfgang Schwenke: Kiel ist eine Sportstadt. Der THW hat seit Jahrzehnten internationale Strahlkraft im Handball, Holstein hat gerade in der jüngeren Vergangenheit im Fußball wieder an die größten Zeiten der Vereinsgeschichte angeknüpft. Wir haben Erfolge gefeiert, Pokalerlebnisse gehabt, sind auf- und abgestiegen – und trotzdem kontinuierlich gewachsen. Beide Vereine prägen die Stadt, und die Fans teilen sich oft zwischen Handball und Fußball auf. Ich sehe darin eine große Stärke: Kiel bietet Sportinteressierten ein breites Angebot.
Und wo steht Holstein in fünf Jahren?
Wolfgang Schwenke: Ich hoffe, in einem neuen oder fast fertigen Stadion. Sportlich wollen wir dauerhaft in der 2. Liga etabliert sein, mit Chancen nach oben. Mein Vorbild ist der SC Freiburg: ein Verein, der kontinuierlich arbeitet, wirtschaftlich gesund bleibt und dennoch sportlich überrascht. Wenn man in fünf Jahren sagen könnte, Holstein ist das „Freiburg des Nordens“, wäre ich sehr zufrieden.

Zur Person:
Wolfgang Schwenke
Jahrgang 1968, war erfolgreicher Handballprofi beim THW Kiel, gewann mehrere deutsche Meistertitel und absolvierte 53 Länderspiele für Deutschland. Nach seiner aktiven Laufbahn arbeitete er als Trainer, ehe er 2009 kaufmännischer Geschäftsführer von Holstein Kiel wurde. Schwenke ist ausgebildeter Physiotherapeut, studierte Betriebswirtschaft und lebt mit seiner Familie in Kiel.
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