Zwischen Wildtierstation und Katzenhaus
Es ist kurz nach sieben Uhr morgens im Tierheim Uhlenkrog in Kiel. Noch hängt feuchte Luft über den Ausläufen, Hunde bellen aufgeregt, während in den Katzenzimmern das erste Futter verteilt wird. Für Marlene Cordes beginnt ein neuer Arbeitstag. Die 22-Jährige ist im dritten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Tierpflegerin in der Fachrichtung Tierheim- und Pensionstierpflege. „Einen klassischen Tag gibt es nicht“, sagt sie. „Wir starten mit Füttern, Kontrollgängen und viel Reinigung von Boxen und Gehegen, aber was dann kommt, hängt davon ab, ob neue Tiere aufgenommen werden, welche Pflegefälle anstehen oder ob Jungvögel in der Wildtierstation auf uns warten.“
In Deutschland existieren laut Branchenstatistik derzeit etwa 621 Tierheime. Doch Schätzungen gehen bis zu rund 1.400 Einrichtungen, gerechnet inklusive Wildtierstationen, Pflegestellen und Gnadenhöfe. Nur etwa 22 dieser Heime liegen in Schleswig-Holstein. Marlene ist eine von aktuell drei Auszubildenden im Tierheim Uhlenkrog, neben einer Einrichtung in Lübeck das größte in Schleswig-Holstein.
Die Ausbildung hier ist anspruchsvoll. Sie dauert drei Jahre, umfasst Stationen wie Aufnahme, Katzenhaus, Hundetrakt oder Wildtierstation und erfordert nicht nur Tierliebe, sondern auch körperliche Belastbarkeit, Hygienedisziplin und eine große Portion Eigeninitiative. „Viele unterschätzen, wie viel körperliche Arbeit dahintersteckt“, betont Marlene Cordes. „Streicheln und Gassi gehen – das machen eher Ehrenamtliche. Wir sorgen für Sauberkeit, Futter, Erstversorgung und alles, was dazugehört.“
Während Cordes im Katzenhaus Futterportionen verteilt, sitzt Büroleiterin Maike Mensing wenige Meter weiter im Bürotrakt vor langen Listen: Tierbestandsbücher, Fundtierverträge mit der Stadt Kiel, Personalplanung, Behördenkontakte. „Tierpflegerinnen und Tierpfleger haben immer auch mit Verwaltung zu tun – Vertragswesen, Vermittlung, Beratungsgespräche. Das gehört zur Ausbildung und auch zu den Prüfungen“, erklärt sie. Seit 1981 wird im Tierheim ausgebildet, seit den frühen 2000er Jahren finden die Zwischen- und Abschlussprüfungen direkt vor Ort statt – das ist ein Alleinstellungsmerkmal.
Zurzeit bildet das Tierheim jeweils eine Person pro Jahrgang aus. „Wir würden gerne zwei nehmen, aber bisher passte es nicht“, so Mensing. Häufig bleiben ehemalige Bundesfreiwilligendienstleistende, die über ihr Freiwilligenjahr den Einstieg fanden. Inklusive Azubis und Bufdis arbeiten rund 42 Angestellte im Tierheim Uhlenkrog – Tierpflegerinnen und -pfleger, Tiermedizinische Fachangestellte, Verwaltung, ein Hausmeisterteam. Träger ist der Tierschutzverein Kiel, dessen ehrenamtlicher Vorstand Arbeitgeberfunktion hat.
Ein Arbeitstag dauert von sieben Uhr morgens bis mindestens 18:30 Uhr, inklusive Abendfütterung. Dazu kommen Wochenenddienste: als Azubi jedes zweite Wochenende, später im Schichtsystem. „Man gewöhnt sich daran, wenn das Team stimmt“, sagt Marlene Cordes. Neben den praktischen Stationen sind externe Praktika Pflicht. Cordes nutzte die Chance zu einem Erasmus-Praktikum in Portugal. „Der Tierschutz dort ist anders, weniger staatlich unterstützt, mit weniger Kapazitäten. Aber die Menschen geben sich große Mühe.“
Neben der Ausbildung setzt das Tierheim auf Jugendarbeit. Im „Langohrdiplom“ lernen Kinder etwa artgerechte Kaninchenhaltung. „Wir möchten früh vermitteln, dass Tiere keine Accessoires sind, sondern Verantwortung bedeuten“, erklärt Mensing. „Die Kinder finden es am spannendsten, direkt mit Tieren zu tun zu haben“, ergänzt Cordes.
„Viele glauben, man wird Tierpfleger, um nur mit Tieren zu arbeiten, und hat dann kaum Kontakt zu Menschen“, so Maike Mensing. „Das Gegenteil ist der Fall. Wir beraten Halter, vermitteln Tiere, stehen in engem Austausch mit Behörden. Wer hier arbeitet, braucht Offenheit, Kommunikationsfähigkeit und die Motivation, auch im Zwischenmenschlichen Probleme zu lösen.“
Trotz aller Herausforderungen ist klar: Die Ausbildung öffnet Türen. Nach dem Abschluss gibt es vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten – vom Hundetrainer über die Tierschutzpädagogik bis hin zum Tierpflegemeister oder zur Leitung einer ganzen Einrichtung. Selbstständigkeit, etwa in einer Kleintierpension, ist ebenfalls eine Option. „Man muss Lust haben, anzupacken und sich einzubringen. Alles andere lässt sich lernen“, sagt Mensing. Marlene Cordes stimmt zu: „Als Tierpflegerin kann ich selbst gestalten, was ich bewirken will.“